"Wir brauchen niemanden von aussen, denn alles ist bereits in uns" - ist das wirklich so?

06.09.2024 / Oliver Wittwer / PDF

6DWissenschaftUnterscheidungsvermögen

Ich möchte mit diesem Artikel einen weitverbreiteten "Irrtum" beleuchten, nämlich die Aussage "Wir brauchen niemanden von aussen, denn alles ist bereits in uns".

Dieser Satz stellt für mich eine typische Halbwahrheit dar. Ein Teil der Aussage ist also wahr, der andere Teil führt mental in die Irre.

Betrachten wir den zweiten Teil "alles ist bereits in uns": Ich weiss, dass wir Menschen das Potenzial in uns tragen, auf alle Informationen in dieser Schöpfung zuzugreifen. Und zwar durch die Innenschau, also der Verbindung zu unserem inneren Wesen und darüber hinaus (oder tiefer hinein). Ob man das als "innen" oder "in uns" betrachtet, ist nebensächlich. Und ich habe beobachtet und weiss, dass wir Menschen von dieser universellen Wissensquelle durch unzählige Glaubenssätze "abgeschnitten" sind. Die Glaubenssätze hindern uns daran, dieses Wissen zu erkennen, weil wir glauben, dass es nicht existiert, es anders ist, nicht so sein darf, und so weiter.

Der erste Teil "Wir brauchen niemanden von aussen" behauptet, dass jeder Mensch selbständig ohne äusseren Einflüsse zu diesem Wissen gelangen wird, respektive den Zugang in sich selber finden wird.

Ja, in einer "gesunden" Welt würde jeder frei von Begrenzungen sein Wissen und Können schöpfen und seinem individuellen Wesen dadurch Ausdruck verleihen. Jeder Mensch könnte für andere ein Geschenk sein, weil er Aspekte der Schöpfung in die Welt bringt und sie den anderen Menschen vorlebt, die sie inspirieren. Aus diesem vielfältigen Blumenstrauss an Ausdrucksformen und Erkennen könnte sich jeder frei bedienen, um noch mehr in seinem ur-eigenen Licht zu strahlen und die Welt zu bereichern.

Doch auch in so einer Welt würden äussere Impulse von Mensch zu Mensch vermittelt werden und andere Menschen inspirieren, indem sie zu neuen Gedanken angestossen würden.

Wir können leicht erkennen, dass auch in dieser aktuellen Welt alles Wissen praktisch von aussen an die Menschen herangetragen wird. Beispielsweise sollte es jedem, der die Welt beobachtet, schnell klar werden, dass nicht jeder Mensch selber die Sprache, die Rechtschreibung, die Mathematik und alles andere Wissen dieser Welt in sich selber finden und entwickeln kann. Schliesslich stehen dahinter Millionen von Jahren an intensiver Auseinandersetzung und individuellem Streben. Die Lebenszeit eines Menschen würde dazu nie ausreichen.

Man kann zudem beobachten und erkennen - wenn man etwas tiefer blickt - dass gewisse Informationen nur dann wirken, respektive auf Resonanz stossen und etwas im Menschen verändern, können, wenn dieser empfänglich dafür ist. Bei erhellenden und befreiend wirkenden Informationen kann man auch davon sprechen, dass der Mensch "reif" dafür ist.

Wenn man die Welt und unsere Gesellschaft betrachtet, sieht man, dass es heute genau nicht so ist, dass Menschen ihre Impulse aus sich selber schöpfen. Denn seit einigen Jahrtausenden steht die Welt in gewisser Weise Kopf: Den meisten Menschen werden ununterbrochen in mentale Gefängnismauern gesperrt, ja, sie werden ihnen regelrecht aufgedrängt. Dies geschieht über den Mechanismus der Angst, im Sinne von "Wenn du das nicht glaubst und tust, wirst du ... (Schmerzen und Leid erleben)". Nur wenige Menschen schaffen es, sich aus diesen Mauern zu befreien und eigenständig die mentalen Grenzen zu hinterfragen und die "Welt dahinter" zu erkunden. Und die meisten dieser Menschen tun dies auch nicht aus freiem Antrieb. Erst wenn die Umstände in ihrem Leben sie dazu zwingen, weil das Gefängnis, in das man sie gesteckt hat und weiter hineindrängt, irgendwann zu eng und zu unbequem wird, beginnen sie selber einen eigenen Weg zu suchen und im Idealfall zu finden. Menschen, die das in der Vergangenheit geschafft haben, Grenzen zu sprengen, werden oft (und meistens posthum) als Pioniere oder Visionäre bezeichnet.

Aus diesem Grund sind auch heutzutage Menschen wichtig, die als Ideengeber und Impulsgeber fungieren und uns Perspektiven jenseits der weit verbreiteten Denkmuster eröffnen. Das Prüfen und Wählen, welche Informationen für uns wichtig und wegweisend sind, bleibt dabei immer unsere ur-eigene Aufgabe.